Zeilensturm. Das Blog.

Überstrapaziert, missverstanden, für Ignoranten tödlich: Web 2.0

Was hat das mittlerweile fast zu Tode zitierte “Web 2.0” eigentlich mit Woodstock und den “Achtundsechzigern” zu tun? Warum trifft die soziale Vernetzung von Kunden und Mitarbeitern jetzt auch Großkonzerne, die darauf nie vorbereitet waren, mit voller Wucht? Wieso dürfen “selbst ernannte wohlmeinende Diktatoren auf Lebenszeit” ausgerechnet in der digitalen Avantgarde der Unternehmen den Ton angeben? Welche Erfahrungen hat ein Mittelständler gemacht, der die Anwendung der Web-2.0-Tools schon seit sechs Jahren auf die Spitze treibt?

Oft überraschende Antworten auf diese und weitere Fragen zur faszinierenden Kommunikationskultur mit Twitter, Wikis, Blogs & Co. gibt das kürzlich auf der Frankfurter Buchmesse vorgestellte neue Hörbuch “Enterprise 2.0 – Wie das soziale Web Unternehmen und Märkte revolutioniert”. Für dieses Hörbuch der Bertelsmann Stiftung habe ich einige der deutschen Protagonisten und Vordenker des Sozialen Internets für Unternehmen besucht und bei der Arbeit beobachtet. Eine Hörprobe gibt es hier, zur Bestellung hier entlang.

Präsentation von “Enterprise 2.0” auf der Buchmesse: v.l.n.r. Martin Spilker, Bertelsmann Stiftung; Andrea Vey, Deutsche Telekom; Prof. Dr. Dieter Kempf, BITKOM; Kristina zur Mühlen, Moderatorin; Frank Roebers, Synaxon AG; Oliver Driesen, Autor

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Verkettung günstiger Umstände: Wie “Bildungsketten” helfen

Viele Jugendliche, meist aus problematischen Familien und sozial schwächeren Schichten, würden ohne systematische Unterstützung keinen Schulabschluss erlangen. Und damit auch keinen Ausbildungsplatz. Ab da würde sich die häufig beschriebene Abwärtsspirale drehen – doch es gibt Auswege.

Das Konzept “Bildungsketten” des Bundesbildungsministeriums stellt benachteiligten Schülern bei Gefahr eines Schulabbruchs unter anderem ab der 8. oder 9. Klasse so genannte “Berufseinstiegsbegleiter” an die Seite. Von dem bürokratischen Wort sollte man sich nicht abstoßen lassen: Diese berufserfahrenen und pädagogisch qualifizierten Männer und Frauen betreuen die Jugendlichen individuell, helfen ihnen bei der Bewältigung von Schul- und Alltagsproblemen, sorgen auch ganz grundsätzlich dafür, dass der Tag strukturiert und der Unterricht regemäßig besucht wird – mit Frühstück im Magen. Die Begleitung endet erst nach dem ersten Ausbildungshalbjahr, wenn sie Tritt gefasst haben.

Im Auftrag des Bundesinstituts für Berufsbildung haben der Fotograf Achim Multhaupt und ich zwei Jugendliche in einem Rostocker Plattenbau-Viertel besucht und die “Verkettung” der beiden in ihren ganz individuellen Bildungsketten unter die Lupe genommen. Für sechs miteinander verlinkte Online-Porträts sprachen wir mit den jungen Leuten, mit der Lehrerin, der Mutter, dem Ausbilder, der Berufsberaterin – und einer Berufseinstiegsbegleiterin. Die Ergebnisse waren erstaunlich und erfreulich klischee-fern. Merke: Auch Behörden können gute Konzepte entwickeln. Zu den Porträts geht es hier.

Geschäftsmodelle, die wir im 21. Jahrhundert nicht mehr auf der Rechnung hatten (3): Postschiffer auf Schienen

 

Dieser Mann ist ein Seebär, aber zugleich ein Eisenbahner: Fiede Nissen, 61, bringt als freier Unternehmer im Dienst der Deutschen Post Briefe und Pakete auf die Halligen in der Nordsee. Halligen, das sind zehn kleine bis winzige tellerflache Inseln ohne Deiche, die bei Sturmflut vollständig überspült werden – bis auf die Warften, künstliche Hügel, auf denen dann Häuser, Menschen und Vieh dicht gedrängt den Elementen trotzen, bis das Wasser wieder abfließt.

Fiede macht das mit der Post seit drei Jahrzehnten auf eine von zwei Arten: Lässt der Wasserstand es zu, dann fährt er mit der Lorenbahn vom Festland aus quer durchs Wasser bzw. den Schlick des Wattenmeers über die Hallig Oland zur Hallig Langeneß (er ist zugleich Bürgermeister beider Halligen).

Die Lorenbahn gibt es seit rund 90 Jahren. Fast jeder Hallighaushalt auf Oland und Langeneß hat eine eigene, oft selbst gebaute Lore für die Fahrten aufs Festland. Eine Lore ist im Prinzip ein Kasten mit eisernen Rädern, manchmal einem phantasievoll gestalteten Aufbau gegen Wind und Wetter sowie grundsätzlich einem lärmenden Rasenmähermotor. Der beschleunigt das 500 Kilo schwere Vehikel auf rund 30 Stundenkilometer. Ausweichstellen gibt es wenige, und wenn, dann muss man die Weichen schon selber stellen. Klar, dass die Post immer Vorfahrt hat.

Die Lorenbahn hat keine festen Fahrzeiten und ist auch kein öffentliches Verkehrsmittel – aber wer fragt, darf höchst wahrscheinlich mal mitfahren. Er sollte aber über gute Bandscheiben verfügen, denn alle zehn Meter, wo ein Schienenstück ans andere stößt, fährt ein Ruck durch Mark und Bein. Dafür bewegt man sich beinahe auf Augenhöhe mit Krabben und Seevögeln durchs Watt – wenn sie nicht schnell genug flüchten können, wobei die Krabben klar im Nachteil sind.

Doch was, wenn die Flut hoch ausfällt und auch der alte Lorendamm unter Wasser steht? Wie kommt dann die Post auf die Halligen? So:

Das ist Fiede Nissens Postboot, die Störtebekker. Auch hier dürfen gern mal Touristen mit an Bord, wenn Fiede etwa zur Hallig Gröde übersetzt. Dort, auf dem winzigen Stück Land, steht das älteste Kirchlein aller Halligen, Baujahr 1779. Im Altarraum findet sich die viel versprechende Inschrift: “Die Steine in den Mauern werden schreyen und die Balcken im Gesparre werden ihnen antworten.” Man muss wissen, dass die Kirche der sechste oder siebte “Neubau” ist – alle vorherigen wurden von grausamen Sturmfluten weggespült. Aber für Halligleute wie Fiede ist das noch lange kein Grund nicht zu tun, was sie tun müssen. Wenn das Wetter mal wieder umgeschlagen ist, ermuntert Fiede Nissen seine im Gesicht grün verfärbten Fahrgäste gern mit Sprüchen wie: “Dat is hier ein Schiff und kein ICE!”. Und kurz vor der Landung, wobei der Steg schon von Brechern überspült wird: “Bevor wir hier alle absaufen, wollt ich noch schnell kassieren!”

Wer mehr über die Eigenarten der Halligen (und touristische Tipps) erfahren will, kann die Details in meiner Geschichte für das aktuelle Ausgabe des “nordstern” nachlesen, des Kundenmagazins der HSH Nordbank. Zeilensturm hat darüber hinaus auch den Schwerpunkt des Heftes über Immobilien in Hamburg beigesteuert – aber das ist eine ganz andere Geschichte.

 

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