Der X-Faktor

Als ich mal wieder in die Unterwelt vorstieß – und ein weiteres Mal entdeckte, dass sich einige der größten Talente nicht unter den Augen von Dieter Bohlen, sondern im Dunkeln entfalten.

Jemand ‘ne Ahnung, was das ist? Kühlergrill? Treuepunkte? Lochkarten für die Programmsteuerung des neuesten Siemens-Nixdorf-Computers? Falsch, alles falsch. Ich wüsst’s ja selbst nicht, wenn ich nicht dran mitgewirkt hätte. Okay, also hier die Auflösung:

Ganz cooler Effekt, oder? Unter dem Lochraster des Schutzumschlags sieht man das stark vergrößerte Streuungsmuster eines hochenergetischen Röntgenblitzes nach dem Aufprall auf eine mikroskopisch kleine Materialprobe.

Es handelt sich um das Jubiläumsbuch des European XFEL, das ist ein Röntgenlaser (X-Rays heißen die Röntgenstrahlen auf Englisch). Diese internationale Großforschungsanlage erstreckt sich unterirdisch als gut drei Kilometer langes Tunnelsystem schnurgerade vom Hamburger Westen bis nach Schenefeld in Schleswig-Holstein. Ein Wunderwerk der Hochtechnologie – und des Tiefbaus, der vor genau zehn Jahren begann. Zu diesem Band habe ich einen Essay beigesteuert: Wozu ist eigentlich Grundlagenforschung gut?

Ich meine: Was sollen diese milliardenteuren Anlagen, die oft zu teuer für eine Nation allein sind? Eine von ihnen, der Genfer Teilchenbeschleuniger CERN, hat sogar mal eine Massenpanik in den Medien ausgelöst: Durch ein für Laien völlig unverständliches Experiment mit auf Lichtgeschwindigkeit beschleunigten Partikeln drohte CERN ein Schwarzes Loch zu erzeugen, das dann ratzeputz die Erde verschlingt. Nicht der beste denkbare Ertrag für Ihre Steuergelder, oder?

Über CERN kann ich mich nicht weiter auslassen, außer dass die Teilchen dort auf einer Kreisbahn, also ringförmig, beschleunigt werden. Im XFEL geschieht das mit Hilfe der Röntgenblitze linear, schnurgeradeaus. “Linear” ist auch das Schlüsselwort für die Bauweise der Anlage: Die Tunnel, in denen sich alles innerhalb von Nanosekunden abspielt, müssen mit allerhöchster Präzision geraden Linien folgen – und dabei sogar die minimale Erdkrümmung zwischen Hamburg und Schenefeld ausgleichen.

Schließlich kennen auch die Elektronenpakete, die durch die gut isolierte Röhre geschossen werden, nicht die leiseste Andeutung einer Kurve. Gleiches gilt für die von ihnen ausgelösten Röntgenlichtblitze, die unterhalb von Schenefeld auf superempfindliche Detektoren in den Versuchsanordnungen treffen. Würden die Energie-Impulse unterwegs durch minimale Krümmungen gestört, wäre alles für die Katz gewesen. Und knapp 1,6 Milliarden Euro Gesamtkosten wären in den Sand gesetzt worden.

Die Antwort, ob und warum sich der ganze Aufwand lohnt, gibt mein Essay im Buch. Man dachte sich bei der ausführenden Agentur Behnken, Becker + Partner wahrscheinlich, das müsse jemand beurteilen, der mal Makroökonomie studiert hat. Ergibt ja auch Sinn. Dass ich andererseits jetzt noch nicht direkt einen Nobelpreis für Teilchen- oder Quantenphysik habe, störte da weniger. Ich durfte mir ja unter Tage alles von Experten zeigen und erklären lassen, zum Beispiel das hier:

Das zweite Kabel von links oben, das sehen Sie selbst, ist übrigens falsch verlötet und müsste eigentlich … Scherz! Wie könnte ich hier unten an irgendwas herummäkeln? Ein Anblick wie dieser versetzt mich schlicht in ehrfürchtiges Staunen: dass Menschen sich so etwas ausdenken können! Aber wer hier öfter mitliest, der weiß, dass ich für Vorgänge unterhalb der Erdoberfläche ohnehin schnell zu begeistern bin. Und auch in diesem Fall wurde ich nicht enttäuscht. Unter der Erde, glaube ich, ist einfach mein natürliches Revier. Irgendwann später sowieso mal. Denn eines steht fest, die Zukunft ist unterirdisch.

Um nun hier zum Schluss wenigstens noch in aller Kürze anzudeuten, wozu Grundlagenforschung gut ist: Die am XFEL gewonnenen Erkenntnisse machen zum Beispiel bessere Supraleiter möglich, lassen den Einsatz von Plasma beherrschbarer werden und bereiten den Boden für widerstandsfähigere Werkstoffe.

Es sind eben die Grundlagen für die Geschäftsmodelle von morgen – und die Alltäglichkeiten von übermorgen. Wenn Ihr Smartphone Sie langweilt und Sie ein neues Spielzeug brauchen.

11 Kommentare zu „Der X-Faktor

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